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Herbst liegt über dem Land, die goldbraunen,
gelben und roten Blätter liegen auf den Straßen,
und Reiselust liegt auch immer noch in meinen Sinnen.
Nichts spricht also dagegen,
einfach nochmal loszuziehen.
Das wird eindeutig befeuert dadurch,
schon als erstes früh morgens mit dem reisefertigen Klassiker
zur Arbeit zu fahren. Übergangsweise sozusagen,
6 Stunden Pflicht, als beruflich bedingte Ausdehnung
meiner Vorfreude auf die Kür des Wochenendes.
Gedacht, gesagt, getan,
Frank und ich (also wieder 1 Mann, 1 Bus)
gehen auf Herbsttour.
Deutsch beschrieben, machen wir eine Straßentour. Roadtrip ist eindeutiger, und hört sich auch eher so an, wie es sich anfühlt. Fühlen, ja, selbst eine große, deutsche Discounter-Kette ist dahintergekommen, dass der Laden mit Gefühlen im Angebot besser läuft, und bietet Roadtrips weltweit an. Denn ein Roadtrip ist viel mehr, als auf den Straßen profan über Land zu fahren. Es ist ein Lebensgefühl, ein Stückchen Freiheit und Abenteuer – schlichtweg eine Alltagsflucht.
Drei Tage unterwegs, wir hauen ab! Destination soll der "PS-Speicher" in Einbeck sein, doch als Hauptziel und gemütliches Übernachtungsquartier fällt die Wahl auf Hofgut Stammen bei Trendelburg an der Diemel. Vorweggenommen: Es hätte beides nicht besser sein können.
Frank und ich cruisen. An den Ausläufern des Rothaargebirges entlang hinein ins Ederbergland, und dann weiter nach Trendelburg in Nordhessen. Dorthin, wo wir für 2 Nächte unser Lager aufschlagen werden. Die Gegend im Dreiländereck von NRW, Hessen und Niedersachsen hat diesen urtümlichen, zeitvergessenen Charme, voll traditioneller Lebensnähe und Naturverbundenheit, den ich so sehr liebe.
Schon beim Einfahren ins Gelände von Hofgut Stammen wird klar, dass der Trubel der Hauptsaison gegessen ist, und wir nahezu alleine sind. Einige Dutzend Kanus liegen auf den Trailer, oder kopfüber aufgestapelt, und lassen ahnen, was hier sommertags los ist. Längst ungestört, werfen auf der Camperwiese die Maulwürfe im Stundentakt frische Erdhaufen auf, zwischen denen wir unsere Reiseklassiker hindurch ans Flussufer zirkeln.
Eins ist klar, dieser Ort ist für uns perfekt. Aber noch etwas anderes wird klar. Hier hat in einem steinalten Anwesen der gute, alte Geist des Campings in seiner Ur-Form überleben, und seinen Weg in die Gegenwart finden dürfen. Der Eindruck dieses Außergewöhnlichen ereilt mich sofort. Keine Parzellen, keine Dauercamper, keine straßenartigen Fahrwege, keine gepflasterten Reviere für XXL-Fahrzeuge, keine Schranke, keine Nummernschilderfassung, keine Zuweisung auf eine definierte Stelle.
"...Schaut euch um, sucht euch ´ne Ecke aus. Strom gibt´s an den Säulen, Feuerschale und Holz hier bei uns...", so der höchst freundliche Hinweis eines sehr angenehmen Mitmenschen.
Nachtruhe ist ab 22 Uhr,
und wer Gitarre spielen kann,
bekommt die Zeit bis Mitternacht hinzu.
Ach ja, 4 Gitarren im Verleih gibt´s am Platz.
Die Seele baumeln lassen,
ohne Störgeräusche dem eigenen Takt lauschen,
und das Lagerfeuer zwischen den VW Bullis
zur Sensation des Tages erklären, das gelang
schon lange nicht mehr so gut, wie hier.
Es ist einfach herrlich, so herrlich einfach...
Wer will, kann rundherum viel Schönes unternehmen. Nicht weit entfernt liegt Trendelburg auf Sichtweite, dann der Reinhardswald, die Sababurg, die Auenlandschaft im Diemeltal ist sowieso wunderbar, und die Barockstadt Bad Karlshafen an der Weser ist per Fahrrad, oder eben im besten Automobil der Welt, schnell erreicht.
Wenn man den Brüdern Grimm glaubt – und ich mache das jetzt mal – lebte hier auf der Trendelburg einst jene Schönheit, die für ihren Märchenprinzen ihr goldenes Haar aus dem Turmfenster heraus rapunzeln ließ. Diese Liebe machte wohl unsterblich, denn nach wie vor gibt Rapunzel im Burghof für die vergänglichen Gäste kleine Vorstellungen. Mir egal, mit langen, Jahrhunderte alten Zöpfen habe ich es nicht so.
Der Samstag beginnt neblig. Tatsächlich, es ist Herbst. Durch den Altweibersommer sind die Busse, wir, und auch die Natur längst hindurch. Die Blätter sind nicht nur bunt, sondern in großen Mengen von den Ästen geglitten, und liegen zusammen gematscht in den Wäldern, den Wiesen und Böschungen, durch die uns die Chausseen führen. Die Sommersonne, über Monate der Dauerkontrahent meiner +50 Sonnencreme, hat sich längst auf die schiefere Bahn begeben. Ihre Spot-Wirkung, die einem in der Mittagshitze Löcher in den Kittel zu brennen schien, ist einem tiefen, breit scheinenden Herbstglanz gewichen. Wir zocken bis etwa 10 Uhr, und verlassen dann mit beiden Bullis Hofgut Stammen.
Der "PS-Speicher" in Einbeck wartet als größtes Oldtimer-Museum Europas auf uns. Ich denke, für alle, die an Oldtimer und der Geschichte der Mobilität interessiert sind, ist Einbeck und der PS-Speicher ein "Muss".
Als visuellen Lockstoff, verbunden mit meiner Empfehlung zum Besuch,
zeige ich hier im Beitrag nur ein paar wenige Fotografien.
Ein separater Artikel zum PS-Speicher findet sich übrigens im FOTO-BLOG.
Zurück auf Hofgut Stammen, kommt fast schon sowas wie ein heimatliches Gefühl auf. Es ist echt sagenhaft hier. Soviel sei gesagt, Hofgut Stammen, in seiner Anlage und der Philosophie dahinter, ist ein Kleinod, wie es in der gesamten Bundesrepublik leider immer seltener zu finden gelingt.
Von dem herrlich anzusehenden Gebäudekomplex habe ich bewusst kaum Fotos gemacht. In der Stille dieser Jahreszeit verstärkt sich mir der Eindruck von Intimität und einem kaum feststellbaren Grenzverlauf zwischen privat, und nicht privat. Das mochte ich so belassen. Wer also mag, nutzt bitte die Webseite, auf der sich informative Aufnahmen finden.
Oder besser, fahrt hin und "...macht euch selbst ein Bild..."
Es tut gut, im ausgehenden Jahr immer noch unterwegs zu sein. Sicher unter erhöhtem Aufwand, was draußen zu sein anbelangt. Und ganz sicher auch, was das Fahrzeug anbelangt. Dazu einige Beispiele dieser herbstlichen Kurzreise. Feuchte Kälte außen, und warme Luft innen (Körperwärme, Kochen, Heizen...) führt unweigerlich zu Kondenswasser. Wann immer möglich, ausreichend lange lüften, und Scheibenwischen (vorne; innen) gehört zum Camper-Alltag im Herbst dazu. Die Wahrscheinlichkeit, im Regen zu fahren, steigt. Wir hatten Glück, es hielt sich in Grenzen. Nässe in Verbindung mit verdreckten Fahrbahnen verwandelt allerdings binnen recht kurzer Zeit ein Hochglanz-Automobil in ein verdrecktes Irgendwas. Das wiederum hielt sich nicht in Grenzen, was sich in meinem Fall auch noch steigern ließ. Auf durchweichter Wiese, von großen Herden fleißiger Maulwürfe untergraben, habe ich mich festgefahren. Was einer sowieso schon verdreckten Dschunke im Matsch durchdrehende Räder zusätzlich verpassen, ist reif fürs Kino.
Dem Genuss einer solchen Tour tut alles dies keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil. So finden sie im Sommer gar nicht statt, diese muckeligen Momente, wenn die Standheizung anspringt, und eine wohlige Wärme ins Innere des Bullis haucht. Dann bei warmer Mahlzeit und einem guten Wein sitzend, hinaus in die klare, kalte Herbstnacht zu schauen, wo der Vollmond die Landschaft ausleuchtet, aus der sich der Nebel erhebt, ist ziemlich erhaben.
Was macht man im Herbst, wenn die Tage kurz, die Nächte länger, und alle Angebote weniger werden? Vielleicht, sich dem aussetzen. Die reduzierten Reize dieser Tage, und die in den Häusern bleibenden Menschen machen möglich, selbst auch ruhiger zu werden, und sich intensiver mit dem zu beschäftigen, was im Herbst besteht. Die Natur ist wunderbar, die wenigen Leute, die uns begegnen, sind entspannter, freuen sich sogar, uns zu treffen. Und wenn ich mich umschaue, finde ich gerade jetzt jene kleinen Wunder, die gefunden werden wollen.
Auf Herbsttour kriegen die eigenen Sinne einen Weichzeichner ab. Es ist leise, es weht kein Wind, die Natur ist verhalten und der Jahreszeit entsprechend zurückgezogen. Wir tun gut daran, nicht dem entgegen, sondern damit im Einklang zu schwingen. Immer so, wie es gerade ist, ist es in Ordnung. Und Reisen im VW Bus, gerade jetzt im Herbst, kommen dem allen verdächtig nahe.
Euch allen noch ein paar goldene Herbsttage, die passenden Touren dazu,
und ganz herzlichen Dank für alle Aufmerksamkeit!
2024 © DT-Classics
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Ingrid Röhrner (Dienstag, 22 Oktober 2024 18:04)
Lieber Dirk,
vielen Dank für deinen wunderschönen Herbstartikel. Ich genoss es ihn zu lesen und die Fotos dazu...ein Traum. Fast so, als wäre ich selbst unterwegs dort.
Danke für deine traumhafte Beschreibung des ausklingenden Herbstes.
Alles Liebe,
Ingrid
Dirk von DT-Classics (Dienstag, 22 Oktober 2024 21:27)
Hallo liebe Ingrid,
dir als begeisterte Bulli-Fahrerin brauche ich ja nicht viel erzählen, bist ja auch jemand mit bissel Oktan im Blut.. :-)
Dein Kommentar freut mich sehr, hab Dank dafür!
Herzlich, Dirk
L. Bernard (Donnerstag, 24 Oktober 2024 09:48)
Schöne Story, bestens vermittelt, wie man es so kennt hier. Der Unterschied zwischen Knipsen und Fotografie fällt mir im Vergleich zu anderen Seiten deutlich auf. Und der Platz dort ist ein echter Campingplatz, toll!
Dirk von DT-Classics (Donnerstag, 24 Oktober 2024 11:27)
Hallo Herr Bernhard,
schön, sie zu lesen, und danke für ihre Anerkennung!
Freundliche Grüße,
Dirk Trampedach
Werner (Mittwoch, 30 Oktober 2024 11:28)
Lieber Dirk,
gar nicht soooo weit davon, habe ich einen großen Teil meiner Kindheit und Jugend verbracht: In Witzenhausen (Werra). Daher kenne ich diese "Ecke" Deutschlands ganz gut und weiß, wie schön es dort ist. Ein toller Beitrag... (den "PS-Speicher" in Einbeck kannte ich allerdings noch nicht. - Danke für die warmherzige Vorstellung!)
Liebe Grüße,
Werner
Dirk von DT-Classics (Donnerstag, 31 Oktober 2024 09:33)
Lieber Werner,
geschätzten Dank für deine Aufmerksamkeit meinem Tun & Schaffen gegenüber! Ja, das Gute liegt meistens nahe... ;-)
Herzliche Grüße in den Kraichgau!