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-Mit aktuellen Gedanken und Einschätzungen dazu-
Aus den vielen Fotographien meines Archivs, die bis etwa ins Jahr 2000 allesamt glasgerahmte Dias sind, und ab da bis zum Jahr 2012 analoge Papierbilder, habe ich hier eine Auswahl digitalisierter Versionen zusammengestellt, und diese mit den entsprechenden Hintergründen und Begebenheiten ihrer Entstehung angereichert. Schärfe, Kontrast, Farbe, das hat gelitten über Jahrzehnte. Die Bilder sind in ihrer Qualität so, wie sie sind, also teilweise sehr "historisch". Ich werde die Beiträge fortlaufend aktualisieren, erweitern, auch gelegentlich umbauen oder austauschen, von daher lohnt es, immer mal wieder vorbeizuschauen.
Danke für dein Interesse, viel Freude beim Schmökern....
Verzeichnis:
1983 - Reisen ins Glück
1983 - Das erste Auto. Weißt du noch...?
1987 - Sri Lanka
1988 - Tunesien
1991 - Gegen alle Vernunft
1992 - Wales
1992 - Busfieber
Reisen ins Glück
1983 war ich schon in Besitz von Sonnenbrille, Stiefeletten, Führerschein, und besaß tatsächlich noch reichlich Haare auf dem Kopf. Der Erwerb des ersten eigenen Untersatzes stand kurz bevor. Ganz reichten die Ersparnisse aber noch nicht, und so genoß ich an Sonntagen die Gunst der Stunden, überhaupt automobil unterwegs sein zu können. Das war selbst in den 80er Jahren längst keine Selbstverständlichkeit, und schon gar nicht für mich.
So wirklich autonom und alleine fahren zu können, dazu kam es ehrlich gesagt erst später. Fand ich damals anstrengend auszuhalten, und mir fielen auch immer nur jene Argumente ein, die meinem Wunsch und Drängen entsprochen hätten. Aber wenn mich heute meine Kinder fragen, ob sie meinen Club Joker bewegen dürfen, kann ich die Skepsis und die Zurückhaltung rückwirkend plötzlich sehr gut nachempfinden. Aber das ist eine andere Geschichte.
Jedenfalls sonntags, wenn alles paßte, Lack, Sonne und wir um die Wette strahlten, wurde das Objekt der Begierde in Form jenes Wagens aus der Garage gefahren. Die meist sonntäglichen Ausfahrten mit Thermoskannenkaffee, handgezaubertem Kuchen, und die Kamera an Bord, zählen heute rückblickend für mich zu den nachhaltigsten Dingen, die damals passierten. So einfach und vielleicht auch profan, wie man darüber denken könnte, so herrlich ehrlich und schön waren sie dann doch. Aber vielleicht muß man auch erst Ü-50 werden, um das zu verstehen, und zu erkennen, wie beseelt und begnadet dieses para-diesische Stückchen Zeit gewesen ist.
Golf L. "Golf Äll". Laut ausgesprochen fast so abgehackt, nichts aussagend, und noch eine Silbe weniger als Hubert K. Das klang sehr sparsam. Für mein Ansinnen, Schaltgetriebe und Spoiler zu vereinen, war da schlicht und ergreifend wenig Platz. Mit einem Automatikgetriebe ausgestattet, entbehrte dieser Golf meinen damaligen heißspornigen Ansprüchen an eine wenigstens kleine Spur von Sportlichkeit oder Coolness. Puh.. der 1er im beige-braunen Behörden-kostüm war damals eine Ikone der Schlichtheit. Aber allemal besser, als nichts, und für uns als Familie fast schon sowas wie ein rollendes Refugium. Die Überland-fahrten zu jenen Picknicks, Spaziergängen oder zur mir damals noch unbekannten Sommerfrische, sie ver-liefen allesamt ruhig.
Irgendwie waren es die Kleinode an schönen Auszeiten, abseits der Alltäglichkeiten, fort von Berufs-hektik, oder sonstiger, außengesteuerter Verpflich-tungen. Feine, familiäre Stunden waren das.
Einträchtig, wohlwollend, gemeinsam, ohne viel künstlichen Aufwand oder pompösen Kram drumrum. Es waren lieb gewonnene Rituale, es war Wochenende.
Aus heutiger Sicht vermisse ich sowas, bzw. gerät man wohl jetzt in den Status, die Bedeutung dieser Zeit als solches zu erkennen. Alles, was vonnöten war, war vorhanden. Und alles Überflüssige nicht.
Die damals ungewohnten und teils seltsam anmutenden Geräusche der Beschleunigungs- und Schaltzyklen der VW-Automatik bildetet den Soundteppich jeder Fahrt. Komisch dabei war, dass man die Zunahme an Geschwindigkeit zwar plötzlich deutlich hörte, aber in Umsetzung tatsächlich gar nicht wahrnahm.
Aber selbst sowas relativiert sich. Entdeckung der Langsamkeiten, Genuß einer untrüglichen Gelassen-heit, auch sowas kann heilsam sein. Manches braucht Zeit, um sich uns zu zeigen, und noch ein bisschen länger, bis wir es verstehen. Heute schaue ich dankbar zurück, in den Ohren der Klang dieser 3-Gang-Automatik. Und sie summte ihr zartes Lied der Strasse, auf jeder unserer kleinen Reisen ins Glück.
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Das erste Auto. Weißt du noch...?
Nicht zu fassen, mein erstes Auto, jener reseda-grüne Opel Kadett C, von dem ich noch heute schier begeistert bin, wäre in diesem Jahr tatsächlich 40 Jahre alt geworden! Baujahr 1977, das ist schon richtig lange her.
Der Kauf, den meine plötzlich gestiegenen Vermögensverhältnisse mit Ausbildungsbeginn möglich werden ließ, gelang schon Ende des 1. Lehrjahres. Ich habe sogar noch die Zahlen parat: 1200ccm, 55 PS, 7 Jahre alt, 1 Vorbesitzer, 76.000Km gelaufen, für 4200 knallharte Deutsche Mark erworben. Viel Kohle für einen Azubi damals, aber der Wagen war gefühlt neu! Und ein wahrer Image-Beschleuniger. Die Menschen um mich herum, die mich mochten, wurden tagtäglich mehr. Wer ein Auto hatte, war plötzlich Rockstar!
In meinem Kadett war ein Blaupunkt Radio. 2 Knöpfe, fertig. Und erhaben auf die stets wakelige Mittel-konsole gedübelt, fand sich dort ein fast schon klobiges Cassetten-Abspielgerät der Marke Gelhard. Das klingt wie Haarpomade. 120er Cassetten ging gar nicht, 90er nur bei mäßigen Temperaturen, 60er BASF sicherten die Stimmung. Der Übertrag des audiophilen Materials von dort nach hinten auf die Aufbau-Lautsprecher in der Hutablage funktionierte tadellos. Dazwischen thronte jahrelang der Tirolerhut meines Vaters, während die Hits von den Beatles, Chicago, Boston, Earth, Wind & Fire, oder auch Kenny Rogers nach vorne drangen. Jede Epoche hat so ihren Stil...
Fast 200.000 Kilometer in 7 Jahren habe ich drauf gebrummt, jeden gerne. Das Lenkrad stand übrigens minimal schief, scheinbar typisch für den Typ. Gefahren hat der Opel immer, und nur die Wasserpumpe hats mal gekostet, der Rest hat gehalten. Sowas erzähl´ heute mal einem, der seinen Neuwagen zur Erstinspektion bringen darf. Da wird gleich der halbe Motorraum revidiert. Rostprobleme gab es tatsächlich nur an den Kotflügeln und unter der Sitzbank. Auch nicht schlecht. Verkauft habe ich den Wagen dann an einen C-Kadett Freak, der mir immerhin noch ein Viertel des Kaufpreises gab.
Hach...schön war´s...
24 Stunden-Rennen, Nürburgring. Nähe St. Moritz, CH Irgendwo auf Fehmarn
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Sri Lanka
Im Jahr 1987 in einem Düsenflugzeug um den halben Erdball fliegen, war eine Vorstellung, die ich mir gar nicht vorstellen konnte. Alles entstand plötzlich und eher planlos. Es war wie so oft eine Mischung aus Zufällen und privater Kontakte.
Gedanken darüber habe ich mir wenige gemacht, auf was konkret ich mich da eigentlich einlassen würde. Einzig die Reise in ein fernes Land, in eine andere Kultur, stand mir vor Augen.
Völlig unbedarft, ohne Vorbereitung, mit nicht einer einzigen gelesenen Zeile über die mich erwartenden politischen, kulturellen und sonstigen Verhältnisse, hob ich ab.
In Sri Lanka herrschte Krieg. Neu war das nicht. Für Touristen sollte das Land jedoch ohne bemerkbare Einschränkung bereisbar sein, so hieß es. Die Realität vor Ort, wie sollte es auch anders sein, war eine andere.
Nach Kämpfen zwischen Regierungstruppen Sri Lankas und Tamilen hatten sich Indien und Sri Lanka zwar auf ein Abkommen zur Beendigung des Bürgerkrieges geeinigt, aber alle Bemühungen waren eher nur am geduldigen Papier verblieben.
Indische Truppen vollzogen ihre Landung auf der Halbinsel Jaffna, und später kam es zum Bruch zwischen Indien und LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam; stärkste Guerillaorganisation).
Kurz vor Jahresende beschloß das Parlament Sri Lankas eine Autonomieregelung für den Norden und Osten der Insel. Es folgte der Beginn einer schlimmen, bis 1990 andauernden Terrorwelle der JVP, und deren Vorboten streiften meinen Aufenthalt nicht unwesentlich.
Strassensperren, eingerichtet durch Soldaten mit Maschinenpistolen, prägen nahezu jeder Fahrt. Ich sitze zusammen mit Einheimischen und Touristen hinter den staubigen Scheiben eines japanischen Kleinbusses, stundenlang unterwegs zu den Hochplateaus, den Tempeln und Sehenswürdigkeiten im Landesinneren.
Aus Angst vor gegenseitigen Attentaten an den budhistischen und hinduistischen Baudenkmälern sind rund um die Uhr Bewegungen von Fußgängern und Fahrzeugen ständigen Strassensperren ausgesetzt, die sich gen Norden häufen.
Die Ferage, ob ein Guerilla oder ein Soldat des Landes den Inhalt meines Rucksacks unsanft kontrollierend auf der Strasse verstreut,
stelle ich nur leise mir selbst. Ich halte unterwürfig alle Reisedokumente hoch, wähne mich als Deutscher Bundsbürger in irgendeiner nicht belegbaren Sondersicherheit, und
verharre.
Draußen verscheuchen die bewaffneten Kämpfer alle diejenigen Menschen, die sich aus der Not heraus bettelnd vom Strassenrand an die Scheiben des Touristenbusses zu schleichen versuchen. Die Szenen und Behandlungen sind für die hier Lebenden aushaltbar, im Gegensatz zur permanenten Not des Alltags. Inmitten dieser Umstände sitze ich, ein Urlauber, Tourist, wohlhabender Gaffer. So komme ich mir vor. Fotos dieser skurilen, und teils menschenunwürdigen Szenen habe ich mich nicht getraut zu machen.
Als Träger von heller Haut; T-Shirts von fruit-of-the-loom, und einer Kamera, fühlte ich mich überwiegend mißtrauisch beäugt; Angst war durchaus mein Begleiter. Bilddokumente davon sind also nicht vorhanden, und wenn, hätten sie hier keinen guten Platz. Aber vor dem Hintergrund dieser Lage damals, meiner hohen Naivität, der schlechten Vorbereitung, und der Erkenntnis, dass das heute an vielen Stelle unserer Erde immer noch so ist, wirken selbst diese eher harmlosen Bilder des Beitrags vielleicht doch etwas anders.
Einchecken, Warten. Kurze Phase im Niemandsland zwischen den Welten. Dann Abflug, ich bin in der Luft, heimwärts. Eine Stunde, nachdem ich in Colombo in den Flieger gestiegen bin, der mich nach Hause bringen wird, zerreißt eine Bombe große Teile der Wartehalle des Airports, in der ich mich noch kurz vorher befand. Ich erfahre das jedoch erst beim Aussteigen in Düsseldorf, 12 Stunden später. Weit weg, woanders, Glück gehabt.
Das war 1987
Jetzt ist 2017.
30 Jahre Zeitfenster.
Und ...!?
Istanbul, London, Paris, und dann Berlin. Diese Nähe und Unberechenbarkeit von Gewalt und Terror, die damals Teil irgendeiner Welt, aber nicht Teil meiner Welt war, die war nie weg. Es schien nur so. Heute erscheint sie nur näher im eigenen Blickfeld. Und diesmal gibt es keine Abreise.
Das Unkalkulierbare ist auf Schritt und Tritt zur vorstellbaren Größe geworden. Es gibt weder die Distanz, noch einen Flieger. Diesmal sind es die Strassen, die Märkte, Gebäude und Menschen in unseren Städten. Willkommen in der Wirklichkeit, jetzt ist es überall, jetzt ist es Deutschland.
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Tunesien
Die Möglichkeit, nach Tunesien zu gelangen, schmeckte lecker nach Afrika. Und eine Reise nach Afrika, das klang schon nach richtig weit weg, und obendrein ziemlich exotisch. Für mich war das die zweite Reise, für die ich in ein Flugzeug steigen mußte. Das war der große Nachteil. Getan habe ich es dennoch.
Hell und weiß empfing mich das Land, die Häuser, gefühlt alles. Alt und rückständig kam mir auffallend Vieles vor. Oder umgekehrt; ich hatte das Gefühl, überall aufzufallen. Selbst in meinen ältesten Shorts, dem verwaschenen Shirt, und nur in Sandalen, ich fiel auf, denn alles und jeder sah anders aus als ich, und ich anders als alle anderen.
Nicht alle Fortbewegungsarten hatten Motor, und die, die einen hatten, waren Dank kolonialer Prägung überwiegend französischen Ursprungs. Autos anderer Herkunftsländer fielen genauso auf wie ich.
Wirklich wohl gefühlt habe ich mich nur während der mehrtägigen Fahrt durch die Wüste, entlang an Oasen, Ruinen, Bergen und Täler. Und obendrein war es die Gelegenheit schlechthin, in einem Automobil unterwegs sein zu können, welches lange Zeit auf der Hitliste meiner Lieblingsautos ziemlich weit oben stand. Hier in der Wüste werkelte dieses Unikat so unauffällig, wie die Kamele seit eh und je. Artgerechte Haltung vor Ort.
Der Land Rover!
In einen Land Rover einsteigen, bei Mörderhitze, Sand in der Luft, und der entsprechenden Gegend rundrum, versetzte mich, der im TV-Programm der 70er aufwuchs, gefühlsmäßig in die Rollen von "Daktari" oder John Waynes "Hatari". Großes Kino halt. Entgegen heutiger Sicht, waren die Exemplare des damaligen Konvois zuverlässig, britisch korrekt, und die Fahrten auf dem rauen Untergrund ein echt cooles Erlebnis.
Heutzutage wäre die erste Wahl sicher ein VW T3 Syncro, und für den ganz großen Wurf vielleicht ein Expeditionsmobil wie der Magirus von Simone und Olaf, zu finden in der Rubrik "Links". Die unglaublich hohe Geschwindigkeit des Fliegens macht möglich, von einem Ort zum anderen extrem schnell zu wechseln. Aber es birgt auch die Gefahr, dass die Seele einfach nicht mehr hinterherkommt.
Verstärkt durch die körperliche Unbeweglichkeit, die Flugreisen einem aufzwingt, führt es zu dem Phänomen einer stark verzögerten Nachreise der entsprechenden Empfindungen.
Diese Umstände haben bei mir mehr und mehr dazu geführt, Flugreisen gar nicht mehr, oder wie im Falle beruflicher Notwendigkeiten, nur noch äußerst wiederwillig anzugehen.
Ich glaube, meine Sinne sind nicht dafür ausgelegt, Veränderungen in Überschall zu verarbeiten und neigen daher seit eh und je dazu, mir den Erwerb von Reisefahrzeugen schmackhaft zu machen, die nicht schneller fahren, als meine Seele fliegen kann.
Dazu kam das dann auch.
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Gegen alle Vernunft
"Jetzt hol´mal Luft, ey..", hätte ich meiner Mutter am Liebsten geraten, als ich in ihr entsetztes Gesicht sah. Gerade eben hatte ich mich so lässig wie nur möglich zum 2. Mal gegen die schlecht schließende Fahrertür jenes Vehikels geworfen, welches ihr den Atem sichtlich stehen bleiben ließ. 1978er VW Bus T2b, lila gerollt, entsprechende Gardinchen, die Inneneinrichtung bestehend aus groben Sperrholzschränken, und die Sitzbank bepolstert mit einer alten Isomatte, über die ein für heutige Geschmäcker häßlicher Stoff gespannt war. Außen drauf das Bugrad als obligatorisches Erkennungsmerkmal einer in Szene gesetzten Individualität.
Tag 1 nach Kauf. DPSG Zentrum Westernohe
Von meinem Enthusiasmus, oder wenigstens einem winzig kleinen bisschen Nachempfinden, war meine Mutter einige Lichtjahre entfernt. In meiner Erinnerung stand sie ziemlich fassungslos da. Und um mein Objekt der Begierde herum begann es deutlich nach frischem Sprit zu duften. Da, Wasser! Nein, das konnte es ja nicht sein! Schlimmer! Also Öl! Mist...
Eine erste zarte Spur schlängelte sich unter dem Motor hervor und nahm mehr und mehr Fahrt auf, jenes bis dato makellose Stück Pflaster auf ewig zu tränken. Ein
wirklich ganz und gar unglücklicher Augenblick, ja, ich fand das auch nicht schön. Im zusammen gekniffenen Antliz meiner Mum standen wortlos die Worte, die mir wohl bekannt waren. Und in dem
meinigen eben wohl auch. Wohin schauen? Ein Fahrzeug nach Herz, und nicht nach Verstand kaufen, das war grenzwertig. Für
solche Dinge konnte ich nicht pauschal mit großer Zustimmung rechnen.
So eine "ungesunde Rechnung" muß für meine Mum so provozierend wie der Auftritt Joschka Fischers in Turnschuhen gewesen sein. Ich hatte mir ganz schön was erlaubt. Was mag sie gedacht haben? Es würde ein schlimmes Ende nehmen für mich.
Meine Mutter hatte den Logenplatz im Kopfkino ganz für sich alleine. Ungepflegt, abgerockt, bisschen was vom Image eines Strauchdiebes, so stelle ich mir das heute rückwirkend vor. Oder wahrscheinlich noch was Schlimmeres. Die ganze Szene war sicher anstrengend für sie. Und damals rauchte man. Sie auch. Und dann begann sie tatsächlich, sich mitten in der oktanhaltigen Luft, eine Zigarette anzustecken.
Wow, das tat sie immer genau nur dann, wenn ihr die Beherrschung flöten ging, oder Worte fehlten. In dem Fall war es wohl beides. Ich sah den Horrorfilm quasi schon vor ihrem inneren Auge ablaufen. Ändern, nein, aber ich konnte es verstehen.
Es war um 1991, ich trug Vollbahrt und Ohrring, und ich hatte meinen ersten VW Bulli. Mehr ging nicht, und es ging auch kein Weg mehr dran vorbei. Wenn "Auto" das erste Wort war, dass ich vielleicht aussprechen konnte, wird "Bulli" das zweite gewesen sein. Oder "Mama". Aber wie auch immer, das Ding und ich, wir hatte ein Leben lang aufeinander gewartet. So sieht´s aus. Da nimmt man irgendwann einfach alles in Kauf. Kein Gleicher unter Gleichen mehr, Nestschutz adé. "...Jehova, aber jeder bitte nur einen Stein..." Ich hätte mich aus Loyalität zu mir selbst und diesem Fahrzeug sicher eher steinigen lassen, als den Bulli nicht zu kaufen. Freiheit...endlich! Endlich stimmten Gefühl und Fahrzeug perfekt überein, und der Rand der Scheibe, auf der ich lebte, schien plötzlich überwindbar....
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Wales
Mit Fotographien ist das so eine Sache. Man macht sie, und schaut sie sich an. Die Bilder und der Augenblick sind in dem Moment beides Realität und Gegenwart. Aber schon kurze Zeit später verspringen die Zonen. Der aktuelle Augenblick paßt immer weniger zur eingefangenen Situation am Foto. Mehr und mehr schwimmt beides auseinander, bis irgendwann die Gegenwart akut und neu ist, und die Situation am Foto steinalt erscheint.
Ganz auffällig ist für mich dieses Phänomen bei den Fotographien der Wales-Tour. Mir kommt es teilweise so vor, als wäre das vielleicht nur ein Traum gewesen. Der da, mit dem seltsamen Bart, und dem nicht gerade sehr hübschen Bus sieht gar nicht so wie der aus, der ich bin. Die mittlerweile erwachsene Tochter, sowie die Blässe digitalisierter Dias verstärkt diesen meinen Eindruck auch noch sehr.
Mit Sack und Pack, 1000 Allerlei und dennoch reduziert, sind wir unterwegs. Der T2 glänzt durch nicht Vorhandensein von Dingen und Geräten,
die üblicherweise durchaus zu den Sachen zählen, die man mehr als gut brauchen kann, wenn man denn schon per Campingwagen unterwegs ist.
Kein Kühlschrank, kein Bordstrom, keine Standheizung, kein elektrischer Heizlüfter, kein Waschbecken, keine Isolierung, kein Stauraum, keine noch so minimale
Standhöhe, und auch keine Schlafmöglichkeit. Aus heutiger Sicht fehlte auch jegliche Form von Zuverlässigkeit.
Laura, nichtmal ein Jahr alt, liegt nachts auf Schaffellen vor der Sitzbank am Boden, warm eingepackt in einen top isolierten Schlafsack für Kleinkinder. Von dort kann sie nirgends herunterfallen. Wir schlafen derweil draußen im Zelt.
Der Bulli ist fahrende Herberge, Eßzimmer, und vielleicht noch sowas wie Materialcontainer. Von einem Campingbus im herkömmlichen Sinne Lichtjahre entfernt.
Hier in Beddgelert haben wir für länger als nur 1-2 Nächte unser Lager. Von daher ist große Wäsche angesagt. Denn ausnahmsweise scheint hier in der Bergwelt Snowdonias die Sonne nicht nur hell, sondern auch mal warm.
Snowdonia!
In der Sprache des Landes, dem Walisischen, bedeutet Snowdonia "Adlerhorst". Wie passend. Fischadler aus der ferne bekommen wir tatsächlich zu Gesicht. Der Snowdon, in der englischen Sprache zusammengesetzt aus snow + don (berg), erhebt sich in der Landschaft deutlich hervor, und auch im Bewußtsein der Reisenden ist er allgegenwärtig. Die meisten Wanderer konzentrieren sich durchaus auf das Kerngebiet um den Snowdon, und ihn selbst.
Für Überfüllung, vor allem an schönen Tagen am Gipfel, trägt maßgeblich die Snowdon Mountain Railway bei, die mit Dampf- und Zahnrad betrieben, bis hoch zum Gipfelhaus fährt. Als Bergwanderer gibt
es auch kaum vielfältigere Möglichkeiten, als vom Snowdon aus. Immerhin verlaufen 6 weitere Bergarme von seinem Rücken in alle Richtungen.
Anspruchsvoll ist es allemal. Sir Edmund Hillary trainierte unter anderem am Snowdon für seine Besteigung des Mount Everest. Und auch heute steht der Snowdon im Verbund mit Ben Nevis(Schottland) und Scafell Pike(England) auf der Liste derer, die bei der Three_Peaks_Challeng die 3 höchsten Berge Großbritanniens in Rekordzeit besteigen wollen.
Snowdonia, das ist das Land der Schmalspurbahnen, der Berge, des
Nebels, der Schafe, der unaussprechlichen Ortsnamen, und der herrlich abwechslungsreichen Landschaften. Wir sind so oft es geht, zu Fuß unterwegs. Und auch den Snowdon meistern wir, mit Laura in
der Kiepe. Gewählt haben wir den langen, aber nur mäßig steilen Aufsteig von LLanberis aus. Bergab begeben wir uns später auf schmaler Spur per Dampf.
Es ist abenteuerlich, wie wir so unterwegs sind. Dieser Eindruck verstärkt sich deutlich durch den zeitlichen Abstand, den diese Reise mittlerweile bekommen hat. Der Bulli fuhr. So ein wenig kam ich mir durchaus vor, wie Lukas, der Lokomotivführer, der ständig auf die kleine Lok "Emma" einredete, damit sie wohl ja weiterfahre. Und im Gegensatz zu uns, war das noch simpel. Lummerland ist klein, die Strecke führt im Kreis, und Jim Knopf hat immer eine Idee.
Das sieht auf unserer Tour durch Wales ganz klar anders aus.
Also wir, durch einige technische Pannen mit durchaus leicht angehaltenem Atem fahrend, haben tatsächlich nicht jeden Kilometer entspannt und frei vom Flöhe husten hören, geniessen können.
Wales, das ist das Land großer landschaftlicher Gegensätze auf kleinem Gebiet. Das Meer ist genauso allgegenwärtig, wie die Berge, und per Auto ist alles in Kürze zu erreichen.
An den Stränden ist trotz Badebesucher immer auch Leere. Dieser geradezu verschwenderische Raum, den ein jeder dort hat, läßt immer den Eindruck entstehen, man wäre alleine unterwegs. Nichts und niemand stört irgendwen, nichts wirkt aufdringlich oder beengend, jeder läßt jeden in Distanz gewähren.
Die Orte und Städte in Wales wirken burgenhaft trutzig, angereichert mit historischen, kämpferischen Geschichten, und voll von Geschichte überhaupt.
Aus heutiger Sicht sieht alles auf den Bildern alt aus. Nicht alt im Sinne von gealtert, verbraucht, sondern so, als wäre da eine Zeit eingefroren, die es längst nicht mehr zu geben scheint.
Die Läden, die Menschen, die gesamte Szenerie dort, alles ist aus einer Epoche, zu der ich hier in der Welt meines Alltags, meiner Vorlieben und Reisen, fast schon keinen Zugang mehr zu finden scheine.
Alles ist weit entfernt,
das Gefühl dazu verblasst.
Improvisiert, einfach,
zufrieden, bescheiden, genügsam,
neidlos, schlicht, behutsam, glücklich,
mit vielen kulturellen Ritualen
und weitergegebenen Gewohnheiten.
Und darin eingeschlossen unwirklich.
Unwirklich scheint auch das zu sein,
was mit einem selbst zu tun hat.
Es ist seltsam, ein so altes Glück zu sehen.
In alles, was ich so über die Vergangenheit, die Kinder, unsere Familie, und das Großwerden in und um den VW Bus berichte, muß ich mich selbst ausnahmslos einreihen. Gewachsen an Geschehnissen und Begegnungen, ist man selbst auch Teil dieser Entwicklung, bei der diese spezielle Form des Reisens, in eben genau diesem Fahrzeug, eine maßgebliche Rolle spielt. Für die Möglichkeit, überhaupt so reduziert in Harmonie innerhalb dieser begrenzen räumlichen Bedingungen unterwegs sein zu dürfen, bedarf es einer unausgesprochenen Übereinstimmung aller Beteiligten.
Da ist vieles Unmögliche möglich gewesen, und manches, was sich an Möglichem durch all´ die Jahre ergab, hatte auch etwas vom Unmöglichen. So, wie ich mir damals nicht hätte vorstellen können, aus welcher Situation heraus ich heute über meine, unsere Reise schreibe, so fällt auch schwer, mich heute 1 zu 1 in die Zeiten von damals zu versetzen. Es bedarf einiger Mühe. Da sind Teilbereiche zerrissen, abgeschnitten, weg, ausgegetrennt aus dem Bild eines Ganzen, dass es damals gab. Neben all´den Erinnerungen trägt man eben doch auch manche Narbe davon.
Perspektive wechseln. Mal die Dinge aus anderer Richtung betrachten, einfach mit anderen Augen sehen.
Dazu hätte ich nicht zwingend nach Wales fahren brauchen. Aber die räumliche Distanz läßt einen vor Ort gleich anders schauen.
Und vom Jetzt ins Damals sieht alles noch ganz anders aus.
Der teils Nerven aufreibende Ärger bezüglich einer Dauerserie von technischen Pannen am Bus (Lichtmaschine ausgeschlagen-Kurzschluß, Vergaser verdreckt, Abriss Stabi vorne, trocken gefahren...) zählt auch zu diesen Dingen, die mit dahinschwindender Zeit einen Abstand zur Realität bekommen, wie ihn überwiegend schlechte Anteile der Umstände kriegen.
Das Positive bleibt länger klar, legt sich ab im Kaleidoskop der guten Gedanken und Erinnerungen, und die eher negativen Erlebnisse und Empfindungen rutschen in den Nebel. Nur die ehemals positiven Dinge, die Teil von einem selbst waren, und auf dem langen Weg abhanden kommen, die drehen diesen Umstand um.
Vergaser ist das Stichwort. Zum gasig werden. Irgendeine der vorsintflutlichen Zapfsäulen an irgendeiner lausigen Tankstelle, hatte uns wahrscheinlich mehr Schwebeteilchen in Form von Rostblättchen, statt Sprit zukommen lassen. Und so standen wir da.
Der sogenannte Campingplatz, auf den uns der T2 stotternd und hustend schleppte, erwies sich als mittelprächtige Wiese voller Schafscheiße, auf der zur Trinkwasserentnahme lediglich ein alter PVC-Schlauch lag. Dusche im Stall. Ich hatte gerade paar andere Sorgen.
Und so fing ich an, unter Verwendung unschöner Worte, die Lichtmaschine auszubauen, und anschließend den Vergaser. Die Mutter meiner Tochter hatte zu diesem Zeitpunkt schon abklingende Grundstimmung, durchaus beherrscht, aber sichtlich genervt, und ich wußte warum. Denn die vielen Düsen, Schwimmernadeln, Schrauben, Muttern, Dichtungen, Federchen und sonstige Kleinteile lagerte ich derweil fein nach Baugruppen sortiert in Kochgeschirr, Tassen und Schüsseln. Wir hatten sonst nichts, und was in diese vollgekackte, scheiß Wiese fiel, würde für immer und ewig weg sein.
Mit unbesprochenen Zweckentfremdungen von Küchenartikeln läßt sich trotz prekärer Lage leider nur schlecht erklären, es werde alles gut, vor allem dann, wenn Kochen und Essen auch ganz nett wäre, und man schließlich in Urlaub ist. Da nimmt man gerne an, Pannen passierten nur anderen Leuten. Aber das stimmt nicht, und irgendwas ist immer. Sprechen geht dann auch schon gar nicht. Und wehe, es wird gefragt, ob man helfen könne. Das sind überhaupt nicht meine Stellen für eine geschmeidige Konversation. Wales ist nicht riesig, aber groß genug, um sich in so Momenten für bestimmte Zeit aus dem Weg zu gehen. Nach 2 Stunden Fummeln und Schrauben, Reinigen und Montieren aller Einzelteile, nahm der nach gutem Gemisch hechelnde Boxer dann endlich wieder seine Arbeit auf. Ein, zwei grobe Gasstöße, sozusagen als Reifeprüfung, ließen mich breit grinsen. Es war mal wieder geschafft.
Egal, was aus einem Stein gemacht wird oder nicht; er bleibt ein Unikat. Einzigarzig, und vollkommen in sich.
Alles verschwimmt, zieht sich zurück, wie das Meer bei Ebbe. Dann rollt die Welle in Form einer Weltentide zurück in die andere Richtung,
quer über die Erdkugel auf die andere Seite, wo vielleicht jemand darauf wartet.
Die Gedanken und Erinnerungen treiben gleichsam her und hin, erinnerungslastig angereichert, ohne Anfang und Ende.
Eins folgt dem anderen bis ins nächste hinein, und wieder zurück.
Bei jedem neuen Aufleben von Ebbe und Flut verwischt sich die Spur und der Blick darauf.
Alle Mosaiksteinchen einer alten Zeit reiben sich tief und tiefer in den schweren, nassen Sand.
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Busfieber
Die Sache mit mir, dem Unterwegssein schlechthin, und dem VW Bus, ist eine lange Geschichte, die sowas ist wie der rote Faden meiner Zeit. An Reisen oder Autofahren zu denken, ohne zeitgleich einen Bulli vor Augen zu sehen, geht tatsächlich kaum. Wirklich einmalig macht diesen Umstand aber vor allem die Glück bringende Tatsache, dass es jemanden gibt, mit dem ich dieses Lebensgefühl seit Anbeginn teilen darf. Dieser Jemand ist Frank, einer meiner ältesten und besten Freunde. So richtig auf die Kette bekomme ich die zeitliche Reihenfoge zwar gar nicht mehr, aber ziemlich exakt um die Zeit, in der ich den T2 erstand, also etwa 1991 oder 1992, kaufte Frank sich ebenfalls einen Bulli.
Auch ein T2 war das, und entgegen dem meinigen war der überlegen vollständig, und richtig klasse ausgebaut. Schicke Holzmöbel, Staufächer überall, Standheizung, lauter praxistauglicher Krimskrams, viele coole Schalter und Ablagen oben im Fahrerhaus, urgemütlich, und das Hochdach garantierte 4-Jahreszeiten-Tauglichkeit, und den aufrechten Gang. Für die damalige Zeit war das ein echter Traumwagen.
Irgendwo im
Odenwald
(Wer weiß, wo der jetzt ist, bekommt ne Belohnung!)
Scotland: Kielder Forrest Highlands Glen Coe
Die Menge der Bilder, auf denen dieser schöne Camper zu sehen ist, ist leider nicht allzu groß, und auch ein Foto, auf denen meine "lila Kuh" mit seinem T2 zusammen zu sehen sein könnte, gibt es in meiner Sammlung tragischer Weise kein einziges.
Aber das Gefühl der ersten gemeinsamen Fahrten & Reisen, das habe ich real und sehr deutlich auf immer und ewig abgespeichert. Aus diesen frühen Bulli-Tagen resultiert so ziemlich alles, was bis heute Gültigkeit hat, und aus meinem Lebensgefühl nicht mehr wegzudenken ist.
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