Herbstliche Retrospektive


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 Die Blätter an Büschen und Bäumen sind streng genommen seit Sommer schon deutlich schrum-peliger, und alles andere als frisch. Die Felder gleichen Steppen, und Gras ist eher hellbraun. 2018 war bekann-ter Maßen trocken, und  der Übergang in den Herbst erfolgt mit Blick auf das Laub gesehen dieses Jahr wohl eher übergangslos.

 Bei mir sieht das ganz anders aus, denn obwohl schon Mitte Oktober vorbei ist, hängt mir das belebende Sommergefühl noch immer tief in den Klamotten. Es auszusprechen, jenes Wort "Herbst", kommt mir selbst jetzt noch total unpassend und verfrüht vor. Aber es ist Herbst.


  Die Nachbarn in ihren Gärten bekomme ich kaum mehr zu sehen, da es längst früher dunkel ist. Dafür leuchten schon überall die Grimassen ausgehöhlter Kürbisse herum. Die Helligkeit der Sinne eines langen, heißen Sommers schwindet, und die Abstände von einer Bulli-Tour zur nächsten werden lang und länger. Und so schleiche ich nicht gerade selten mit latenter Grundnervosität umher, möglichst keine Gelegenheit übersehend, dem goldenen Herbst dann doch noch die letzte Tagesfahrt abzuringen. Denn jede noch so kurze Fahrt kann ab jetzt die letzte sein. Heute allerdings scheint die Sonne nochmal fein, angeblich bis auf weiteres so zum letzten Mal. Also los.

 

   Dem hochtourigen "Drive" eines Jahrhundersommers kann ich heute ohne großen Aufwand nochmal hinterher fahren. Eine echt schöne Stelle habe ich da in meinem Jahresausklangs-Repertoire, und zwar liegt die zwischen den Dörfern Hünsborn und Altenhof. Diese stille, kleine Allee ist wahrscheinlich gar nicht so die große Sensation. Ich kann auch gar nicht genau sagen, warum, aber ich liebe dieses Eckchen. Neben den Bäumen parkend, verstummt der Wasserboxer, ich steige aus, und dann ist alles still hier. Ein nahezu wolkenloser Himmel, das spätsommerliche Licht, die Bäume mit dem Bulli drunter, da komme ich gleich ins Schwärmen. Und was für ein Jahr 2018 doch war, bzw. immer noch ist! Die Sonne wärmt tief, selbst auf Böschungen in Sonnenlage ist es ohne Sitzkissen oder Decken nach wie vor aushaltbar. Da bin ich tatsächlich wie ein wechselwarmes Reptil. Sonnenhungrig, auf warmen Steinen sitzend, jepp, das ist es!

 

  Doch alleine schon der Begriff Herbst, der zunehmend Einzug ins Bewußtsein hält, macht was mit mir. Diese sommerliche Agilität, mit der ich monatelang unterwegs war, sie schwindet, schrumpft und schrumpelt vor sich hin, bis sie als zähe Masse unter meinen Schuhen hängt. Vermutlich kriege ich sie da erst im Frühjahr wieder weg. Und so sitze ich in der Sonne, schaue, und ertappe mich dabei, dem heran nahenden Saisonende eines Knaller-Jahres entgegen zu philosophieren.  

 Mit so Dingen wie Fazit, Rückblick oder Retrospektive ist das so eine Sache. Ich tue mich im Allgemeinen eher schwer damit. Sowas markiert immer ein Ende, und obendrein ist da diese Gut-Schlecht-Wertung, die den Dingen eine teils skurile Färbung verleiht. Sei´s drum, diese Stelle, sich stehend und nach hinten schauend vorzufinden, sucht sich längst nicht jeder einfach so aus. Sie ereilt jeden von uns immer dort, wo sie auf uns wartet.

 

   Sommer, Herbst, Anfang, Ende, sowas halt, das macht sich alles sehr deutlich fest am Begriff "Saison". Saison, bezogen auf die Oldtimerei, das Reisen, und vor allem bezogen auf´s Campen, hat in dem Fall durchaus einen Anfang, und leider jedes Jahr ihr Ende.

 Ich habe ja keinen E-Type, Porsche oder ALFA Spider, mit dem man außer zu fahren wenig anstellen könnte. Hobby ist ein Status, der das eigentliche Leben normaler Weise kaum beeinflusst. Ein Camper, in dem Fall der VW Bus, eröffnet mir allerdings eine Nutzung kreuz und quer durch nahezu alle Bereiche eines Leben hindurch, und zwar durch meins. 

 Hat 2018 nicht eben erst begonnen? War meine Schlüssel-rum-Trilogie nicht...gestern erst?

Vieles vom Jahr endet, wenn der Bulli steht, und auch ich stehe dann in großen Teilen. So einfach ist das. Sicher, es geht weiter. Alles geht immer irgendwie weiter. Und ein Stückchen ist ja auch noch.

 Doch ein Zurückschauen ist nicht nur ein trauriger Moment zu sentimentaler Stunde. Zurückschauen zeigt auch den Wert. Es steckt in allem Erlebten ein großes Glück, dem man jetzt, wo die äußeren Aktivitäten schwinden, eine innere Zuwendung schenken darf. Da hat sich was Schönes angereichert. Dies darf man so sehen wollen, und ich will. Es gab sicher schöne, und weniger schöne Momente, aber wertvoll sind sie mir allesamt.


   Hier, in dieser kleinen Allee zwischen Irgendwo und Nirgendwo, sind heute außer mir nur ein paar wenige Leute sonnenhungrig und bei bester Laune unterwegs. Wanderer, Mountainbiker, Jogger. Alle, ausnahmslos alle von ihnen grüßen, ziehen lächelnd die Augenbrauen hoch, oder heben in Richtung Bulli nickend den Daumen. Aber sie bleiben still. Total auffällig, keiner sagt auch nur einen einzigen Ton. Es ist scheinbar nicht nötig, hier Worte zu verlieren. Irgendwas Positives einer stummen Verständigung liegt in der Luft.

  In so Sternstunden wie jetzt und hier, wenn gerade alles paßt, da rauscht mir das Jahr im Zeitraffer durch die Rinde. Große, lebhafte, glasklare Bilder, Töne, Gerüche eines Jahres, die mir mit Blick auf den Bus in die Sinne kommen, bringen das große Dauerplus auf den Punkt. Da sehe ich die vielen Menschen, die in dieser Zeit um mich sind und waren, die Landschaften, die Erlebnisse und Ereignisse. Und es spuken mir Gedanken durch die Sinne, die viel mit Dank, Demut, Zufriedenheit und Glück zu tun haben. Seltsam, und doch vertraut; ich kann und mag mir das ganze Unterwegssein auch nur in Verbindung mit diesem alten Automobil vorstellen. Das Gefühl, so jetzt gerade um dieses Fahrzeug herum zu schleichen, ist ein gutes Gefühl, nein, eher schon eine Offenbarung.

 

Ein Jahr, es ist eine einzige, lange Strasse.

2018 © DT-Classics
2018 © DT-Classics

2018 © DT-Classics



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Kommentare: 4
  • #1

    M. Tmph (Montag, 22 Oktober 2018 22:39)

    Ein paar sehr schöner, unfassbar angenehme und geschmeidig zu lesende Zeilen.
    Es formuliert wohl genau das was sich alle Sommer-cruiser mit Blick auf das Jahresende wohl denken könnten!

  • #2

    Dirk von DT-Classics (Sonntag, 11 November 2018 19:07)

    Danke schön... ;-)

  • #3

    BulliPeter (Dienstag, 14 Januar 2020 08:28)

    Als wäre man selbst dabei gewesen. Sehr schön, danke.

  • #4

    Dirk von DT-Classics (Dienstag, 14 Januar 2020 17:31)

    Na, wenn das so zu beschreiben gelungen ist,
    dann freut es mich jetzt nach so langer Zeit gleich nochmal!
    Herzlich, Dirk