Rough God Goes Riding

7 Kommentare //

 

 Wenn ich völlig ungestört dem Viertakt meiner eigenen Lebensmelodie folgen mag, verwende ich dazu am Allerliebsten diesen geschmeidigen 80er Jahre Reisewagen. Er ist dafür der perfekte Tonabnehmer. In dieses Fahrzeug einzusteigen, ist ein ähnlich ritueller und gleichzeitig freudiger Moment, wie der, wenn ich eine Schallplatte auf den Plattenteller lege, sich die Nadel langsam senkt, und Van Morrison seine Stimme erhebt.

 

 

 Für solche Stimmungslagen zu entsprechender Stunde ist mir dieser charismatische Ire höchst kostbar. Er begleitet mich samt seiner melancholisch-progressiven Musik ähnlich lange, wie ich VW Bus T3 fahre. Das ist für beides eine unglaublich lange, tiefe, gute Zeit.

 Doch nicht nur Van Morrison alleine, auch die im Alltag gerne untergehenden, niederfrequenten Zwischentöne wollen gehört sein. Höchst erfreut bin ich daher, im König der Camper nun endlich die lang ersehnte, echte Auftaktfahrt 2022 anzugehen. Den gesamten Winter habe ich dazu genutzt, den Motor dieses WESTFALIA Campers zu revidieren. 300.000 Kilometer sind keine Kleinigkeit. Um es in ein Bild zu packen, entsprechen sie etwas über 7 Reisen längs des Äquators rund um den Globus. Das bleibt nicht in den Kleidern stecken, und schon gar nicht in der Technik. Doch er läuft nun wieder richtig gut, der WBX.

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 Eigentlich ist alles wie immer zum Saisonstart. Und doch ist alles anders. Alleine das Anschauen der Nachrichten reicht, um in maximalen Zweifel darüber zu geraten, ob dieses Frühjahr 2022 auf dem gleichen Planet stattfindet, auf dem 2021 aufgehört hat. Leider sind die Besserwisser, die angeblich immer alles besser wissen, nicht automatisch jene Idole, die auch wirklich alles besser machen. Es tut daher gut, Platz nehmen zu dürfen im besten Automobil der Welt, und den ganz einfachen, altbewährten und befreienden Gedanken nachgehen zu dürfen, die in diesen turbulenten Zeiten zumindest meine eigene kleine Welt auf Kurs halten.

 

And it's a matter of survival
When you're born with your back against the wall
Won't somebody hand me a bible?
Won't you give me that number to call?

 

 Wo sind sie hin, diese vielen Bulli-Jahre, und die Jahre überhaupt? Nun ja, ich weiß das sehr wohl. Und so sehr diese lange Zeit ihre Spuren, Narben und Veränderungen mit sich brachte, eines ist unverändert geblieben, nämlich das Besondere an einer Fahrt im VW Bus. In diesem Besonderen steckt so herrlich viel Vertrautheit und Normalität. Über das gepolsterte Armaturenbrett, dem genialer Weise der ganze Klimbim der Neuzeit fehlt, nehme ich heute die Straße in den Blick, und wieder einmal den ersten Tag einer neuen Saison unter die Räder.
 Dieses Jahr fällt es teilweise schwer, die reale Welt zu sehen, vor der auf einer himmelsgroßen Leinwand Illusionen seltsame Wege aufzeigen, die im Nichts zu enden scheinen. Und doch dreht sich viel zu viel im Kreis. Da komme ich mir manchmal schon vor wie Truman Burbank, der in seinem kleinen Segelboot der Scheinwelt dieser inszenierten Show zu entfliehen versucht, und anschließend samt des Bootes im kulissenartigen Horizont stecken bleibt.

 

 

 

I was flabbergasted by the headlines

people in glasshouses throwing stone
Gaping wounds that will never heal
Now they're moaning like a dog in a manger

 

There will be no more heroes
They will be reduced to zero
When that rough God goes riding
Riding on in, riding on in
Riding on in, riding on in

Denkt nicht mal dran, ich bekomme da nichts für...


2022 © DT-Classics

 



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Kommentare: 7
  • #1

    Ben (Sonntag, 08 Mai 2022 19:06)

    Mal wieder perfekt geschrieben lieber Dirk !
    Es gibt fast nicht schöneres als in sein altes Schätzchen zu steigen und es sich gut gehen zu lassen !

    Bis bald Ben

  • #2

    Dirk von DT-Classics (Sonntag, 08 Mai 2022 20:33)

    Hi Ben,

    danke dir dafür! Und ja, auf bald... ;-)

    Herzlich, Dirk

  • #3

    Werner (Montag, 09 Mai 2022 18:12)

    Ja, Sir Van Morrison: Er schreibt auch einen großen Teil des Soundtracks meines Lebens. Ich kann zwar mangels eines VW Busses dein Gefühl nicht teilen, aber ich kann es NACHempfinden. Und mit Van Morrison im Ohr spüre ich das, was du meinst.
    Hab allzeit gute Fahrt und genieße jeden Moment: Gerade in dieser Zeit. Unser eigenes kleines Leben ist das, worauf wir Einfluss haben.
    Liebe Grüße, Werner

  • #4

    Dirk von DT-Classics (Montag, 09 Mai 2022 19:23)

    Lieber Werner,

    danke für deine Zeilen und das Nachempfinden!
    Es wird immer so sein; was man sich wünscht, sollte von innen gelebt sein,
    statt von außen eingefordert. Pass´auf dich auf, und dir eine gute Zeit.

    Herzlichst, Dirk

  • #5

    Buschi (Montag, 09 Mai 2022 21:09)

    Lange gewartet, aber es hat sich gelohnt. Ein sehr gehaltvoller Auftakt.
    Vor allem im Wechsel zu den Lyrics des Songs bekommt das eine einmalige Nuance.
    Und die Musik ist allererste Spitze. Ich kannte den Musiker auch gar nicht.
    Schwarzweiße Fotos haben was, scheint es ja dieses Jahr mehr von zu geben.

    Freue mich auf mehr, und vielen Dank!

  • #6

    Adrian (Dienstag, 10 Mai 2022 10:00)

    ... "Viertakt der eigenen Lebensmelodie" - was für eine schöne Formulierung. Danke lieber Dirk für deinen wunderbar-nachdenklichen Auftakt in die neue T3-Bullisaison. Musiker Van Morrison kannte ich auch noch nicht. Mir gefallen nicht nur seine Songs sondern auch sein Vorname. Nach Wikipedia verkürzte er Ivan auf Van und assoziiert an den besten Van aller Zeiten - den VW T3.
    Bulligrüße, Adrian

  • #7

    Dirk von DT-Classics (Dienstag, 10 Mai 2022 21:38)

    Hi Adrian,

    schon klar, dass dir mein verschriftlichter Saisonstart nicht entgehen würde,
    lieben Dank für die Aufmerksamkeit! Die Überleitung von "Van" M. zu Van Bus
    ist selbst mir nicht gekommen, sehr trefflich!

    Herzlichst, und auf bald, Dirk