Reisen, Camping und Fotografie

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Tja Leute, egal, wo man schaut und liest, unglaublich viele Artikel beginnen von der Aussage her nahezu gleich. Der Wortlaut, den ich fast schon runter beten könnte, geht ungefähr so:

...In einer Welt, die zunehmend von Schnelllebigkeit, Oberflächlichkeit

und digitaler Vernetzung geprägt ist, suchen viele Menschen nach Wegen,

um ihre wahre Identität zu entdecken und authentisch zu leben…“

  Wenn diese Flut an Selbstfindungsartikeln bedeutet, dass die wenigsten Menschen tatsächlich wissen, was eigene Wege und wahre Identität heißt, ist das eine ziemlich traurige Bilanz. So hohe Bedarfe an Mittelchen gegen identitives Defizit? Mich erinnert das ein bisschen an den hohen Bedarf an Mittelchen, den halb Asien hinsichtlich epidemischer Impotenz zu haben scheint. Denn so, wie hier eine Vielzahl an Artikeln zur nicht vorhandenen Lebensorientierung verhelfen, wird in Asien aus allem, was kreucht und fleucht, Potenzmittel hergestellt. Manchmal erscheinen die Kausalitäten unergründlich, aber darum soll es hier nicht gehen.

  In diesem Beitrag wird es gehen um Reisen, Camping und Fotografie. Es dreht sich um Wege, Identität, Authentizität, Entdeckungen, denn das alles verbirgt sich durchaus im Zustand des Unterwegsseins und des Reisens. Wenn ich nur mich selbst betrachte, und die vielen Jahre, in denen ich mittlerweile Land und Leute ausschließlich im Campingbus bereist habe, hat der Bereich der „Selbstentdeckung“ da durchaus seinen festen Platz.

  Denn, was mache ich unterwegs? Schlichte, einfache Sachen – Reisen, Camping, Wandern, Bergsteigen, Lagerfeuer, essen, trinken, schlafen, Menschen treffen, und Fotografieren. Genau betrachtet, sind das erst mal nur Aktivitäten, aber durchaus auch Mittel zur Selbstentdeckung. Sie ermöglichen es, Abstand vom Alltag zu gewinnen, sich mit Kultur & Natur zu verbinden und die eigene Wahrnehmung zu schärfen. Und alles Aufgezählte ist so herrlich miteinander verwoben, dass ich fast schon sagen würde, diese Rezeptur ist perfekt!

Einfache Sachen – Reisen, Camping, Wandern, Bergsteigen, Lagerfeuer, Essen, Trinken, Schlafen, Menschen treffen, und Fotografie.
Einfache Sachen – Reisen, Camping, Wandern, Bergsteigen, Lagerfeuer, Essen, Trinken, Schlafen, Menschen treffen, und Fotografie.

Reisen als Weg zur Selbstentdeckung

  Wirklich exotische Reisen unternehme ich eher keine. Dazu wäre meistens nötig, in einen Flieger zu steigen. Das ist in meinem Fall keine gute Idee, denn es geht viel zu schnell. Die rasanten Wechsel von Orten, Kulturen, Klima und Eindrücken ermöglichen es einfach nicht, dass meine Seele zeitnah hinterherkommt. Mein optimales Reisetempo ist entweder das, was meine Füße schaffen, was sich auf einem Fahrrad (die Welt sagt: Bio-Bike) fahren lässt, oder die übersichtlich schnelle Geschwindigkeit, die ein klassischer VW Bus zu fahren in der Lage ist. Um das Verlassen vertrauter Bereiche zu spüren, oder der vielbesprochenen Komfortzone zu entweichen, ist es wirklich nicht nötig, um den halben Kontinent zu jetten.

 

  Wer als Norddeutscher bis Bayern fährt, oder umgekehrt, und dort die Dialekte und Gebräuche erlebt, entdeckt augenblicklich anhand des Fremden seine eigene Identität. Da kommen schon kurz hinter Heimat im Rekordtempo die authentischen Selbstanteile unter der Schutzschicht des Alltags hervor. Das macht im Kleinen Dialekte und Bräuche so bedeutsam, und zeigt im Großen, wie verheerend es sein kann, wenn fremde Kulturen ein komplettes Land von der Identität her "verändern". Viele können Wenige integrieren, anders herum wird das schwieriger.

 

  Beim Reisen, wenn Neues zu finden ist, braucht es den Abgleich zur Identität. Das ist die Orientierung der eigenen Sinne an uns selbst. Reisen ist daher viel mehr, als nur das Überbrücken großer Distanzen, und streng genommen ist es auch mehr, als nur das Erkunden neuer Orte; es ist immer auch eine Reise nach innen. Und dahin kommen wir per Flieger nun wirklich nicht.

 

Reisen ist viel mehr, als nur das Überbrücken großer Distanzen.
Reisen ist viel mehr, als nur das Überbrücken großer Distanzen.

Camping als Rückzug und Verbindung zur Natur

Man lernt alleine, unterwegs auf sich selbst zu vertrauen.
Man lernt alleine, unterwegs auf sich selbst zu vertrauen.

  Wenn ich den Begriff Camping benutze, meine ich diese besondere Form des Reisens, bei der man nahezu direkt in der Natur lebt. Was ich nicht meine mit Camping, ist alles das, was sich größtenteils auf Campingmessen zeigt, oder mittlerweile auch in großen Teilen auf Campingplätzen. Glücklicherweise hat die deutsche Sprache die beiden Begriffe im Angebot, die sagen, was ich meine: CAMPING-Bus, und WOHN-Mobil.

Ich denke, der Unterschied macht´s deutlich.

  Wenn wir unseren Camping-Bus für die mehrwöchige Reise packen, stellt sich nicht zwingend die Frage, was alles mitkommt. Viel eher gehen wir gedanklich das durch, was NICHT mitkommt. Der sprichwörtliche Ballast, der sich auf Authentizität und Identitäten ablagert, gleicht durchaus dem Haufen Zeugs, den Menschen gewillt sind, mit auf Reisen zu nehmen. Es ist daher nicht nur eine bewusste Entscheidung, sondern auch eine heilbringende Selektion. Es ist Balsam für Körper und Geist, sich auf das Elementare und Wesentliche zu konzentrieren. Was dazu führt, sich weniger um seinen Plunder kümmern zu müssen, und stattdessen den Kontakt zur Umwelt zu intensivieren.

  Dieses angenehm einfache Leben (übrigens, viel mehr um, als im Bus) reduziert Ablenkungen und materiellen Überfluss. Wir schätzen diese Einfachheit sehr, weil nicht nur alles da ist, was man wirklich benötigt. Es bringt auch zum Vorschein, wie man Wünsche und Bedürfnisse nochmal neu für sich definiert und formuliert.

  Genau dieses Überleben im Minimalen“, das Bewältigen von Herausforderungen, und das Erleben von Stille und Einsamkeit fördern die Selbstwahrnehmung. Man lernt alleine, unterwegs auf sich selbst zu vertrauen.

Fotografie als Mittel zur Selbstreflexion und Authentizität

  Wie spielt nun die Fotografie in alles das hinein? Es beginnt mit dem, womit der Artikel oben beginnt: Durch das bewusste Wahrnehmen, dass durch diese Form von Reisen gefördert wird, dringen mehr Achtsamkeit, Wahrnehmung, und somit auch die Authentizität aus den Nebelbänken unseres Alltags nach oben ans Licht.

Ich habe mich schon oft gefragt, was denn wohl nun das wirklich wahre Leben ist: Das daheim, oder das im Camping-Bus...!?

  Das Fotografieren jedenfalls leert mich, den aktuellen Moment achtsam wahrzunehmen und die Essenz eines Augenblicks einzufangen. Mittlerweile bin ich mir sicher, dass das nur deshalb funktioniert, weil eine Verbindung entsteht zwischen dem Motiv da draußen, und dem eigenen Inneren. Was dann zum Vorschein kommt, also auf den Fotos, spiegelt in der Wahl der Motive und der perspektivischen Gestaltung die eigene Persönlichkeit wider.

  Viele verborgene Gedanken und Gefühle kommen da zum Vorschein. Fotografie kann helfen, das zu erkunden und auszudrücken. Später dann, beim Betrachten eigener Fotos, ermöglicht das, was wir geschaffen haben, eine Reflexion über die eigenen Erfahrungen, Werte und Wünsche. Es ist eine Form der Selbstbefragung anhand der eigenen Fotos, die ein Stück weit zur Selbstfindung beiträgt.

Es ist eine Form der Selbstbefragung anhand der eigenen Fotos, die ein Stück weit zur Selbstfindung beiträgt.
Es ist eine Form der Selbstbefragung anhand der eigenen Fotos, die ein Stück weit zur Selbstfindung beiträgt.

Das Zusammenspiel: Reisen, Camping und Fotografie

  Wie geht es es nun zusammen, mit Reisen, Camping und Fotografie?

  Meine eigenen Erfahrungen über Jahre hinweg haben gezeigt, dass das Zusammenspiel dieser drei wunderbaren Aktivitäten eine wirklich kraftvolle Synergie schafft, die viel mit mir selbst und dem Prozess der Selbstfindung zu tun hat. Nicht umsonst ereilt mich nach jeder Reise die Gewissheit, anders heimgekommen, als losgezogen zu sein.

  Während „normale“ Reisen vorrangig neue Umgebungen und Kulturen eröffnen, ermöglicht die schlichte Form des Campings eine tiefere Verbindung zur Natur und zum eigenen Inneren. Mittlerweile weiß ich, dass mir die Kamera dabei hilft, um diese Erfahrungen festzuhalten und nach außen zu transportieren. Reisen, Camping und Fotografie bilden zusammen ein ganzheitliches Erlebnis, das Körper, Geist und Seele anspricht.

  Etwas detaillierter gesagt, entdecke ich beim Reisen neue Perspektiven. Beim Camping erlebe ich die Welt um mich herum hautnah, und die Fotografie hilft mir, diese Momente bewusst wahrzunehmen und festzuhalten. Zum Glück geht das ohne 1000 Likes und erhobene Daumen. Das bewusste, konzentrierte, leise Dokumentieren tut mir einfach gut und fördert mein Verständnis für die eigenen Gefühle und Gedanken.

Die schlichte Form des Campings eröffnet eine tiefere Verbindung zur Natur und zum eigenen Inneren.
Die schlichte Form des Campings eröffnet eine tiefere Verbindung zur Natur und zum eigenen Inneren.

Wo und Wie?

Anti-zyklisch, untouristisch, mit Aufwand zugänglich, leise, ursprünglich.
Anti-zyklisch, untouristisch, mit Aufwand zugänglich, leise, ursprünglich.

 Alles andere als zufällig oder belanglos wählen wir die Ziele unserer Camping-Reisen.

Anti-zyklisch, untouristisch, mit Aufwand zugänglich, leise, ursprünglich.

  Auch hierbei wird es so sein, dass die Wahl der Reiseziele, die Art des Campings und die fotografische Gestaltung unsere individuellen Persönlichkeiten wider-spiegeln. Ich denke, es hat viel damit zu tun, welche Erfahrungen man über viele Jahre gemacht hat, und welche Werte sich dabei herauskristallisiert haben.

  Am Ende einer Camping-Reise, wenn alle aktiven Unternehmungen zur Ruhe kommen, bleiben zum Glück die Fotografien!

  Indem wir sie nach der Reise betrachten, lassen wir vor unserem geistigen Auge diese gemachten Erfahr-ungen nochmal Revue passieren

 Je nach Intensität führt das dazu, die eigenen Erkenntnisse zu integrieren und das Selbstverständnis weiter zu entwickeln. Unsere kreative Gestaltung der Fotos, das Erzählen von Geschichten durch Bilder, und die bewusste Auswahl der Motive fördern die persönliche Entwicklung. Sie ermöglichen es, eigene Themen, Wünsche und Träume sichtbar zu machen.

Zum guten Schluss

 Reisen, Camping und Fotografie ist nicht DIE ultimative Variante, es ist schlicht MEINE Variante. Was Ihr, liebe Leserinnen und Leser, hier nun gelesen und angeschaut habt, möge bestenfalls ein Impuls sein. Einer, den Ihr nach Belieben aufgreift, bevor es im Sommer auf große Fahrt geht. Einer, der Euch vielleicht ein paar besonders gute Gedanken entlockt, während Ihr die Kamera in ihre Tasche packt. Ein Impuls, der Euch nicht nur an eure Kamera und die Fotos denken lässt, sondern vielleicht an das große Ganze, was eine Reise ausmacht.

  

 

Euch allen wünsche ich tiefsinnige Erlebnisse, eine beseelte Zeit,

und alles Gute beim Zusammenspiel von Reisen, Camping und Fotografie!

 

Gregory Alan Isakov hat einige Jahre in seinem VW Bus gelebt und die USA bereist.

Die Bilder im Video sind unfassbar gut, beste Unterhaltung und Fernweh wünsche ich.. ;-)

 

Denkt nicht mal dran, ich krieg´ da nix für...


2025 © DT-Classics



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Kommentare: 2
  • #1

    M. Guggolz (Samstag, 31 Mai 2025 13:26)

    Grüß dich Dirk,
    Menschen waren aus verschiedensten Gründen schon von altersher unterwegs. Bruce Chatwin hat geschrieben:“ die Probleme der Menschen begannen, nachdem sie mehr hatten, als sie tragen konnten.“ Wie du weißt, bin ich viel gereist. Große, komplizierte Reisen und kleinere Reisen, mit Flugzeug, Campingbus, Zelt… wochenlang nur das Notwendigste und trotzdem alles dabei, das waren die befriedigendsten Unternehmungen. Ein klein wenig zurück zum Einfachen, Überschaubaren, ein bisschen Nomadentum. Dazu muss man sich entfernen und kommt auf sich selbst zurück…. das beschreibst du in deinem Artikel und wieder einmal triffst du mein Empfinden damit. Reisen in irgendeiner Form… früher habe ich dabei alles mit den Augen mitgenommen, heute nehme ich zusätzlich mit der Kamera mit…das passt prima zusammen. Danke dir und Gruß von einer kleinen Reise,
    Michel

  • #2

    Dirk von DT-Classics (Sonntag, 01 Juni 2025 08:04)

    Lieber Michel,

    Was du so unternommen hast, kannte ich bislang aus den Büchern meiner Helden, und von denen haben in den Anfängen wenige über ihr Inneres berichtet. Die Aktionen, Unternehmungen, Abenteuer, standen im Fokus. Mich haben immer die Menschen dahinter interessiert und begeistert, und ich freue mich über alles, was es zu erfahren gibt.

    Danke dir für deine Resonanz!

    Herzlichst, Dirk