Ethik der Sinnlosigkeit

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  Es ist vielleicht einer der letzten Tage diesen Jahres, die noch mit der Unentschiedenheit zwischen Indian-Summer und eindeutig Herbst einhergehen. Bunt die Wälder, angemessen die Temperaturen, grandios das Licht. Ich packe meine analoge FUJICA ST801 ein, und adaptiere ein 50 Jahre altes,135mm Tele-Objektiv auf meine Digitalkamera. Nichts wie los...

  Anlässe, gar keine. Gründe, ganz viele! Meine Laune steigt, und Termine habe ich sonst keine. Beste Voraussetzungen für Fotografie pur, und eine therapeutische, werterhaltende Ausfahrt im klassischen Camper. Die gute, alte Zeit für sinnlose Sachen wie diese, ist genau jetzt!

 Dieser Akt der Befreiung beginnt schon, bevor es losgeht. Rituelles Einsteigen, haptisches Blechschlüsselklimpern, und die altbekannte, einzigartige Atmosphäre des besten Automobils der Welt. Die Größe des Innenraums ist Blech gewordene Frischluft. Sowas öffnet unweigerlich meine Gedanken, während ich die ersten Meter auf der Straße bin. Nicht jeder Moment muss Produktivität liefern, und dieser hier schon gar nicht. Mir reicht völlig dabei, in diesem erhabenen Zustand zu existieren.

  Die wesentlichen Sachen, die mich gerade interessieren und begeistern, sind Licht, Sonne, Klang des Motors, die Strecke voraus, die wunderbare Landschaft Südwestfalens, und diese unnachahmliche Einfachheit. Endlich raus aus den Verfügbarkeiten des Alltags! Im VW Bus T3 zu cruisen, ist fast schon eine moralische Entscheidung. Diese hoch erfrischende Langsamkeit präzisiert die Werte, um die es in Hektik kaum gehen mag: Verantwortung für die Gegenwart; nachhaltiges Tun. 

   Statt rasant vergängliche Zukunftspläne in jedem Atemzug zu suchen, gibt die Zeit "on the road" ganz andere Dinge preis. Freiheit, Zufall, und die Bedeutung von Unbestimmtheit kriegen richtig "Drive".

  Es darf jeder über diese Sachen denken, was er/sie mag. Ich allerdings finde, so ein betagter VW Bus ist der klassische Archetype einer bestimmten Lebensführung. Bullis sind das Symbol der Gemeinschaft und Einfachheit. Kurz an der Tankstelle, wurde genau das sichtbar. Ein Augenblick des gemeinsamen Staunens, ein Lächeln rundherum, ein Gruß, ein Winken - alles ganz einfach, und typisch.

  Und dann sitze ich da, im bescheidenen Luxus der wenigen, aber verlässliche Dinge im Innenraum, genieße den Sitzkomfort, lausche der Musik aus dem Cassetten-Radio, und blicke nach vorn. Blicke durch die Kamera, Entscheidungen für Perspektiven, Einfangen von Stimmungen. Das reicht tatsächlich aus, um Vertrauen in das zu entwickeln, was gerade zählt: der Moment, die Sicht, die Gegenwart.

   Und dann streift mich wieder das alles. Die Wärme des Sonnenlichts, Gerüche von Velours und Leder, Motorbrummen, das mechanische Geräusch des Filmtransports meiner FUJICA, das Klacken des Auslösers. Und immer wieder rauf auf das Band der Straße. Das ist exakt jene Schönheit im sinnlosen Tun, die in mir eine Haltung hervor ruft, in der ich Bedeutung nicht erlernen, sondern - wörtlich genommen - erfahren kann.

 Regelmäßig halte ich an, und freue mich an der bunten Landschaft. In der Hand einen Kaffee, ein kurzer Gedanke auf die Route, es ist die Ethik des sinnlosen Tuns, und doch zu entscheiden, wann Aktivität und wann Stille angebracht sind. Immer wieder nehme ich die Kamera in die Hand, schaue durch den Sucher, mache ein Foto. Nichts, was ich nicht längst in- und auswendig kenne - egal. Dieser kleine Konsum in Stille ist gerade jetzt perfekt.

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